Wer der Meinung ist, ein Oldtimer wäre nur ein Trick, um KFZ-Steuern zu sparen, verkennt das Wesentliche: ein altes Auto schont nicht nur den Geldbeutel, sondern bringt ein neues Lebensgefühl mit sich, Dauerlächeln inklusive. In diesem Beitrag möchte ich dir erzählen, wie ich zu meinem ersten Oldtimer gekommen bin und warum er meine Beziehung zu Autos nachhaltig verändert hat.
Wie kam ich zu einem Oldtimer?
Im Jahr 2010 war ich noch Student und fuhr noch mein erstes eigenes Auto: Einen ’96er VW Polo 6n. Der Polo war billig in der Anschaffung gewesen und verbrauchte wenig. Technisch war er auch einfach genug, um mit ihm die ersten mechanischen Gehversuche zu unternehmen. Ich konstruierte damals eine eigene Freisprecheinrichtung, stattete das Auto mit Einparkhilfe aus und kaufte schicke, rot-schwarze Sitzbezüge. Ich war stolz wie Bolle, ein eigenes Auto zu besitzen. Aber dennoch ließ mich eine Sache nicht los.
Während meiner Jugend hatte ich mit meinem Vater zusammen viele Reisen mit dem Auto durch Polen unternommen und ein Auto war mir dabei immer aufgefallen: Der FSO Polonez. Er steht auf der Basis des Polski Fiat 125p, ein Lizenzbau des Fiat 125, verfügt jedoch im Gegensatz zum 125p über ein Polen-exklusives Design und einige für den Ostblock ungewöhnliche Eigenheiten. Gebaut wurde er von 1978 bis 2002. Dieser polnische Klassiker hatte mich immer beeindruckt und ich hatte sogar vor gehabt, mit ein neueres Modell als erstes Auto anzuschaffen. In Polen waren diese Autos billig zu haben, aber mein Vater riet mir davon ab und empfahl mir stattdessen den Polo. Aber nach zwei Jahren Kleinwagen hatte ich doch irgendwann genug von dem Gehoppel.
Also fing ich an, polnische Auto-Portale umzugraben und Angebote zu studieren. Die neueren Modelle schieden bald aus, da sie zu rostanfällig waren und bei den alten war viel abgelebtes dabei. Aber eine Anzeige sagte mir dann doch zu: Ein 1981er Polonez 1500 Oldtimer in knallgelb mit originalen 27.000 km auf der Uhr und den Bildern nach komplett rostfrei. Der Kostenpunkt belief sich auf 1.400 €, diese Summe hatte ich sogar zusammen. Allerdings stand das Auto in Lublin, noch hinter Warschau, fast in der Ukraine, 750 km von Berlin. Ich zeigte die Anzeige meinem Vater, auf dessen Hilfe ich bei der Aktion hoffte, und er zeigte sich unerwartet zugänglich. Also rief ich in Polen an, lieh ich mir kurzerhand von einer befreundeten Autowerkstatt rote Nummern und kaufte zwei Tickets nach Warschau. Und schon waren wir unterwegs. Nach einer Übernachtung in Polens Hauptstadt fuhren wir mit einem polnischen Billigzug nach Lublin und dort mit dem Taxi zum Autohändler. Die Möglichkeit, dass wir das Auto nicht kaufen könnten, hatte ich irgendwie von Vornherein ausgeschlossen.
Die Autohändler waren gut drauf, freuten sich auf den Verkauf. Ich bekam keine Möglichkeit, den Oldtimer selbst Probe zu fahren, aber das scheint allgemein im ehemaligen Ostblock so zu sein. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und ließ mich vom Autohändler eine Runde durch die Stadt chauffieren. Aber was ich spürte, reichte mir. Es war einfach ein großartiges Gefühl. Alles spielte zusammen: Der Geruch, der altmodische Motorklang, das Schwimmen der blattgefederten Hinterachse.
Abenteuer Überführungsfahrt
Nach der „Probefahrt“ übergab ich das Geld und ließ mir noch einmal die Vorzüge dieses absoluten Deals erklären. „Alles original, alles echt! Guck mal hier, sogar die Reifen, hier, siehst du, 1981, auch original, ein echter Oldtimer!“ Noch dachte ich mir nichts dabei. Mein Vater und ich setzten uns rein: Ich hinters Steuer und mein Vater auf den Beifahrersitz und wir machten uns an die große Aufgabe, die noch vor uns lag. Der Polonez war für sein Alter erstaunlich spritzig und nahm die Landstraßen hinter Lublin mit Leichtigkeit. Das Fahrwerk schien speziell auf polnische Straßen ausgelegt zu sein und nahm die Schlaglöcher, als wären sie nicht da. Doch dann, nach etwa 100 km Fahrspaß pur, trübte sich das Bild. Die Fahrt wurde zunehmend unruhiger, als würden wir über Kopfsteinpflaster fahren. Nur, dass der Asphalt, auf dem wir unterwegs waren, fast neu war. In einem Dorf hielten wir an und betrachteten die Misere. Der rechte Hinterreifen hatte auf der Lauffläche eine Beule bekommen. Jetzt dämmerte es: Die originalen Reifen von 1981! Also gut, dachten wir, wir haben ja noch ein Ersatzrad. Radkappe ab und Bingo! Felgenschlösser. Das sind solche Radbolzen, die sich nur mit einem Spezialschlüssel rausdrehen lassen. Also Kofferraum auf und Schlüssel suchen. War natürlich keiner da.
Also fuhren wir in die Dorfwerkstatt und der dickliche Pole würgte den widerspenstigen Bolzen mit einer Rohrzange raus. Ersatzrad drauf und weiter, als wäre nichts gewesen. Der Nächste Reifen ließ uns auf der Autobahn hinter Warschau im Stich, diemal gänzlich. Wir standen wieder da, ohne Schlüssel und ohne vernünftiges Bordwerkzeug. Diesmal war kein Dorfschmied in der Nähe, also riefen wir über den ADAC einen Abschlepper, der uns für 100 € abschleppte und uns in seiner Werkstatt das beulige Rad wieder aufzog, was wir am Anfang in den Kofferraum verbannt hatten.
Den nächsten Abschlepper riefen wir bereits in der Nacht, auf einer Landstraße nahe Wroclaw, diesmal kostete es 50 € und wir bekamen noch von einem Schrottplatz ein neues Rad (mit einem Reifen von 1985, der aber wenigstens keine Beulen hatte). Kurz vor der polnisch-deutschen Grenze verabschiedete sich dann der dritte Reifen, glücklicherweise in einem Dorf. Wir stellten unseren Oldtimer in einer Bushaltetasche ab und überlegten, was man machen könnte. Reifenservices arbeiten sonntags nicht, also blieb uns nur, in dem Dorf Klinken putzen zu gehen und zu fragen, ob jemand noch zufällig ein Polonez-Rad in der Garage zu liegen hatte.
Der erste Mann, bei dem wir klingelten, verneinte mit bitterer Miene, die sich aber aufhellte, als ihm einfiel, dass er noch einen Satz Räder von einem Golf in der Garage hätte. Der Golf hat auch einen vierer Lochkreis, wie der Polonez, also entschieden wir uns, es zu versuchen. Er kam mit uns mit, neugierig, warum sich Deutsche einen Polonez gekauft hatten. Das Rad schien zu passen, lediglich die Fiat-typischen Zentrierstifte an den Bremsscheiben-Bolzen störten. Der Pole grinste wieder und führte uns zu sich nach Hause. Dort stand ein A-Corsa ohne Nummernschilder, wir luden das Rad ein, und er preschte mit dem Seelenverkäufer hinten über die Felder ins Nachbardorf zu seinem Kumpel. Der, so verstand ich, hatte eine Bohrmaschine und eventuell auch noch ein paar andere Werkzeuge. Wir bohrten also die Löcher für die Zentrierstifte in die Felge und ab ging die wilde Jagt zurück. Jetzt zeigte sich, dass das Mittelloch der Felge zu eng war, also wieder hin zu dem Kumpel und mit der Rundfeile das Loch größerfeilen. Als das getan war, passte das Rad endlich halbwegs. Wir hatten jetzt auf der Hinterachse zwei beulige Original-Räder und auf der Vorderachse das Rad vom Schrott und das Golfrad. Auf die Frage, was wir dem Polen schuldeten, schüttelte er einfach nur den Kopf und meinte: er würde sich freuen, wenn wir irgendwann nochmal vorbeikämen und mit ihm Wodka trinken würden.
Die verbleibende Stecke bis Berlin verlief unauffällig und am Nachmittag stand er dann bei mir vor dem Haus. Als Erstes bekam er einen Satz neue Reifen und nun musste er noch ein Jahr „reifen“, bis er 30 Jahre als wäre, um als Oldtimer zulassungsfähig zu sein. Auf jeden Fall konnte ich nun mit Recht behaupten, ich wäre der Einzige in Berlin mit so einem Auto. Im folgenden Jahr unternahm ich ein paar Ausfahrten mit roten Nummern und freute mich jedes Mal diebisch über die verwunderten Blicke und emporgereckten Daumen anderer Autofahrer. Während dieser Zeit ersetzte ich verschlissene Teile und bereitete den Polonez auf die große H-Abnahme, also die TÜV-Abnahme für das Oldtimer-Kennzeichen vor.
Was lange währt, wird endlich gut!
Nach einem Jahr Teilesammeln, Probefahrten und Reparaturen war es dann im Juli 2011 endlich soweit und ich meldete den Wagen mit H-Kennzeichen an. Die erste Amtshandlung war ein FSO-Oldtimer-Treffen in Torun in Polen, zu dem ich zusammen mit meinem Kumpel und seiner russischen Frau fuhr. Darüber berichte ich auf Wunsch gesondert. Aber das Gefühl, was man hat, wenn man in einem 30 Jahre alten Auto durch Berlin cruist, ist unbeschreiblich. Es sind die kleinen Imperfektionen, die ein altes Auto liebenswert machen. Der Motor klingt etwas lauter, als bei einem modernen Wagen, die Scheibenwischer wischen langsamer, die Scheinwerfer leuchten dunkler. Es ist einfach unbeschreiblich, nach einer Wäsche die Karl-Marx-Allee entlangzufahren und von Mercedes- und Porschefahrern Daumen gezeigt zu bekommen. Es ist einfach unglaublich, beim Oldtimertreffen im Meilenwerk zu stehen und zu sehen, wie die Besucher Porsche und Ferrari links liegen lassen, um sich meinen Exoten anzugucken.
Etwa ein halbes Jahr vor der Anmeldung mit Oldtimer-Kennzeichen hatte ich den alten Polo gegen einen deutlich moderneren Volvo V40 getauscht. Aber als der Oldtimer angemeldet war, ertappte ich mich doch immer öfter, wie ich den Volvo zugunsten des Polonez stehen ließ. Als der Alltagsvolvo seine ersten ernsten Probleme mit dem Motor bekam (Wer den V40 kennt, dem sagt der Begriff „automatische Nockenwellenverstellung“ bestimmt was), zögerte ich nicht lange und ersetzte ihn gegen einen etwas älteren Mercedes. Aber auch die C-Klasse W202 von 1996 war noch nicht Oldtimer genug. So kam es, dass mein liebstes Alltagsauto letztendlich ein 20 Jahre alter Volvo 240 Kombi wurde. Wie ich zu diesem Fast-Oldtimer kam, erzähle ich in einem späteren Beitrag.
Den wohl prominentesten Auftritt hatte mein FSO Polonez als Hochzeits Oldtimer für meine Schwägerin. Vor dem Dresdner Standesamt lief er einem VW Phaeton den Rang ab.
Mein Fazit zum Thema Oldtimer
Oldtimer sind allgemein Sympathieträger. Sie rangieren im Straßenverkehr außer Konkurrenz. Wenn man es richtig anstellt, bekommt man für Kleines Geld eine Menge Auto und noch dazu ein Stück automobiles Kulturgut. Außerdem ist es deutlich befriedigender, die Motorhaube auszumachen und einen übersichtlichen, kompakten Motor statt ausufernder Plastabdeckungs-Gebilde zu sehen. Bei einem Oldtimer kann man in den meisten Fällen noch selbst Hand anlegen, die Ersatzteile sind oft günstiger und nach einer erfolgreichen Reparatur erlebt man eine befriedigende Genugtuung. Mein erster Oldtimer hat mich gelehrt, auch mal selbst Hand anzulegen und mir Wissen über Autos anzueignen. Er hat mich außerdem gelehrt, ein Auto nicht mehr nur als Fortbewegungsmittel zu sehen, sondern als Leidenschaft, als Hobby. Wenn ich heute im Lotto gewinnen würde, ich würde nicht ins Autohaus rennen und mit einen neuen Range Rover kaufen. Nein, ich würde mir einen Oldtimer suchen, der zu mir passt. Ich war wir kurzem auf dem Moskauer Autosalon, und was soll ich sagen, ich habe kaum etwas gefühlt bei den ganzen teuren Neuwagen. Aber als ich am Stand von Land Rover ankam und den Defender sah, der seit Jahrzehnten dieselbe Karosserieform hat, schlug mein Herz einen halben Schlag schneller.
Hier habe ich einen Testbericht für den FSO-Polonez geschrieben.
Wie siehst du das? Besitzt du selbst einen Oldtimer oder hast du vor, einen zu kaufen? Oder siehst du das anders als ich? Ich würde mich sehr über deinen Kommentar freuen.
Den Polonez fand ich auch schon immer interessant, vor Allem wegen seiner doch sehr eigenständigen Form.
Und Deinen Ausführungen zum Thema „Oldtimer allgemein“ kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Ich würde mit einem Neuwagen im Alltag auch nicht glücklich werden; der 9000 ist (obwohl ab 1985 gebaut) schon grenzwertig modern…
Das war auch mein Traumwagen. Hatte nur nie den mut mich darauf einzulassen. Rollt er immer noch?
Hut ab, das es jemanden gibt der die Form des Polonez mag hätte ich nicht für möglich gehalten 🙂
Glückwunsch zu diesem schönen FSO und dem gelungenen Erfahrungsbericht – mir geht es mit meinem BA3 2102 sehr ähnlich! Ein Borewicz in gelb steht ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Allzeit gute Fahrt und Daumen hoch! (-:
Ach du bist das, habe deinen Wagen vor ein paar Jahren ab und zu in Berlin-Heinersdorf gesehen. Schön, dass sich jemand diesem Underdog annimmt und zur Erhaltung beiträgt.