An dieser Stelle möchte ich erstmal den neuen Co-Autoren von In-aller-Welt.berlin, Klaus Franke, vorstellen. Klaus ist mein Vater und geht mit mir zusammen auf die große Reise mit dem UAZ Hunter, die ich im letzten Beitrag angekündigt habe. Seit der Wende arbeitet er mit großen Freiheiten als Außendienstmitarbeiter für einen großen Berliner Dienstleister, hat keine festen Bürozeiten und richtet sich seinen Tag nach seinem Willen ein. Genau wie ich ist er sehr Osteuropa-affin und beschäftigt sich gerne mit alten Autos. Gemeinsam wollen wir versuchen, wieder etwas mehr Leben in den Blog zu bringen.
Klaus wird während unserer Russland-Reise einen großen Teil der schriftlichen Berichterstattung übernehmen, den ersten Teil findest du bereits in diesem Artikel. Nun möchte ich das Wort an Klaus übergeben und wünsche dir viel Spaß beim Lesen der Berichterstattung aus einer anderen Perspektive.
Erster Tag – Donnerstag 26. August
Seit Jahren sind wir, immer im Sommer, unterwegs nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“.
Für dieses Jahr nahmen wir uns etwas ganz Ausgefallenes vor.
Mit einem russischen Geländewagen UAZ 496 „Hunter“ wollen wir zum Baikal fahren.
Justin hat für die Hin- und Rückfahrt Strecken geplant und sie schon in diesem Blog vorgestellt.
Wir trafen uns wie verabredet bei ihm in Berlin zur Abfahrt.
Das war dann so: Wegen der großen Entfernungen wollten wir gegen zehn bei den Kindern zu Hause abfahren. Deutsch und pünktlich war ich da, deutsch und pünktlich hatte Justin das Auto schon am Abend vorbereitet und beladen, so dass ich nur noch meinen Rucksack in das Gepäckfach des V70 pressen musste. Die Drei kamen von einer einmonatigen Reise durch den Balkan mit entsprechender Zuladung zurück und wir wollten gemeinsam zu viert im Volvo über Belarus nach Moskau, zum Ausgangspunkt unserer Expedition, weiterfahren.
Aber die vielen Kleinigkeiten, die immer große Planungen behindern, wie Verwahren des Hauses für die nächste Zeit, Abschiedsteetrinken, Übergabe von selbst gestalteten Talismanen durch Justins Mutter, noch mal aufs Klo, „wo ist denn… (gdje…)???“ und so weiter ließen uns dann mittags abfahren.
Plan war, in der ersten Etappe von Berlin über Warschau nach Brest zu fahren und dann dort am Abend mit Justins Freund zu grillen.
Beim Kilmometerfressen auf den Autobahnen durch Wälder und interessante Ausblicke verbergende Schallschutzwände beschlossen wir, künftig solche Etappen durch bekannte Regionen bei Nacht zu bewältigen , um uns die Tage für das Reisen im klassischen Sinne zu reservieren und gemäß Reisemotto auch etwas zu sehen und zu erleben.
Den noch nicht fertiggestellten Autobahnabschnitt der A(M)1 in Warschau umstanden wir in der abendlichen Stauzeit. Das kostete uns eine Stunde. An der Grenze nach Belorus ging es gegen Mitternacht recht ruhig zu.
Zwischenhalt in Belarus mit Abenteuern
In der Ferienwohnung warteten die mehrmals vertrösteten Vermietersleute auf uns, und sahen dann zu, dass Sie nun gegen halb zwei endlich ins Bett kamen. Wir auch. Das Auto ließen wir in der Nähe, einschließlich der beiden auf dem Dach angeschlossenen Fahrräder, mit leicht gemischten Gefühlen stehen. Wir jungen Leute brauchen viel Schlaf. Ich diesmal nicht.
Jedenfalls trieb es mich zeitig hinunter, nach dem Auto zu sehen und fürs Frühstück ein wenig einzukaufen. Ich parkte den Wagen um, so dass er aus der Morgensonne in den Schatten der Nordseite unseres Siebzigerjahres-Nachtquartier-Wohnblockes zu stehen kam. Die gemischten Gefühle, die Fahrräder betreffend, erwiesen sich als unbegründet.
Dieses Wohnhaus, mit dem knapp, aber schattig umgeparkten Reiseauto, steht mit der Rückseite zum Festungsgraben der Brester Zitadelle, die als strategischer Punkt in allen Kriegen eine heldenhafte Verteidigung erfuhr.
Vor der Abreise waren wir noch in der Heldengedenkstätte hinter den ehemaligen Kasematten. Ein sehr imposantes, 1971 (ein)geweihtes Monument, neben dem sich Treptow und die Seelower Höhen klein und zierlich ausnehmen würden.
Den ausgefallenen Abend mit Justins Bekanntem wollten wir eigentlich nachmittags nachholen, um dann frisch gestärkt durch die Nacht nach Moskau (1.200 km) zu fahren. Da er aber am Werktag aber eigentlich keine Zeit hatte, und wir etwas von Belarus sehen wollten, entschlossen wir uns zugunsten des Fortkommens den Rostbrätelabend zu verschieben.
Kurz nach der Mittagshitze rollten wir im Stadtrundfahrttempo durch Brest, auf die Moskauer Allee. „Merkst Du das auch? Da ist so ein Geräusch, und so ein labiles Gefühl in der Lenkung?!“, fragte Justin und verlangsamte den Volvo. Und da krachte der Wagen vorne links runter, rumpelte noch ein paar Meter hinter dem auf der Trennlinie davonrollenden Rad her und wir guckten doof.
Kurz besonnen sicherte Justin den nachfolgenden Verkehr und ich nahm die Beine in die Hand, um den Ausreißer einzufangen.
Zum Glück trudelte das Rad nach ein paar hundert Metern am gegenüberliegenden Bordstein der sechsspurigen Allee aus, ohne weiteren Schaden angerichtet zu haben.
Als wir, ich und das Rad, zum Auto kamen sah es nicht gut aus.
Der an der Türsäule losgerissene Kotflügel stand fast rechtwinklig ab und der Wagen lag mit dem Bremsteller auf der Fahrbahn.
Durch unser sofortiges Handeln konnte in uns keine Panik aufkommen. Nachdem die Sicherung mit Dreibock (wir haben ihn danach auch nicht vergessen!!) stand, fanden wir in unmittelbarer Nähe auch die fünf Radbolzen wieder. Der Bremsteller hatte im Asphalt eine etwa zwei Meter lange Kratzspur hinterlassen, es waren keine sofort sichtbaren weiteren Schäden am Fahrwerk zu sehen. Inzwischen kam Justin mit dem Rangierwagenheber aus dem Expeditionsgepäck – das Auto lag zu tief. Also den übervollen Gepäckraum ausladen, um den Bordwagenheber, der glücklicherweise in der Fahrzeugmitte drunter passte, herauszuholen.
Mit den beiden Geräten hoben wir den Wagen an, montierten das Rad und bogen den Kotflügel in eine sichere und unauffällige Position zurück, in welcher wir ihn mittels eines zufällig im Kofferraum gefundenen Drahtes und einer freigewordenen Schraubenbohrung festtüdelten. Nachdem wir unseren Spontanhelfer mit einem kleinen Berlinsouvenir bedacht hatten – er gestand mir, dass er gerade aus Berlin vom Montageeinsatz zurück gekommen sei – und uns nebst Equipage wieder in den Wagen zurückgestopft hatten, wagten wir die vorsichtige Weiterfahrt zur Tankstelle in Sichtweite. Es schien nicht nur so, es war wieder alles am Auto so, dass wir weiterfahren konnten – natürlich mit allen Fasern am linken Vorderrad hängend.
So erreichten wir dann zu guter Letzt auch Moskau.
Bei der der Weiterfahrt sinnierten wir noch ein wenig über Vorsehung, Schicksal und die Wirkung der Talismane, die wir bei uns hatten. Denn Justins Mutter hatte uns, die Berliner Abreise mit Abschiedstee erleichternd verzögernd, jedem einen Kunstautomaten-Talisman mitgegeben. Eine Katze hat sieben Leben… wir haben jetzt noch drei Talismane!!
Außerdem lernte ich auf meinem Morgenspaziergang zum kleinen Supermarkt noch einige Arbeiter und Kraftfahrer des Brester Kommunalbetriebes kennen. Ein alter sowjetischer LKW KrAZ lockte mich mit seinem typischen, mir noch aus der Armeezeit vertrauten Klang an.
Grund für mich, neugierig hinzugehen und sich mit den Leuten sich über die Technik, deren Qualitäten und Schwächen und das Leben in Belarus auszutauschen.