Zweiter Tag: Freitag, 28. August
Nachdenklich rollten wir mit dem geflickten Volvo gen Moskau, durch die Nacht.
Dabei kamen wir zu dem Ergebnis, dass uns jemand nachts, ob aus Russenhass, wegen der Kennzeichen (allerdings in Weißrussland eher unwahrscheinlich), oder wegen des nicht-die-Fahrräder-klauen-Könnens – sie waren nämlich gut angeschlossen – oder gar, weil wir auf „seinem“ Stammparkplatz standen, die Radbolzen gelockert haben musste. Unser Glück waren die geringe Geschwindigkeit bei unserer Stadtrundfahrt und unsere Geistesgegenwart.
Um halb vier lenkte Justin dann fluchend in seinem Moskauer Wohngebiet unser Reisemobil in die „falsche“ Parklücke, denn sein Stammplatz vor der Haustür war belegt…
Um fünf schliefen wir dann alle.
Der alte Frühaufwacher, der ich bin, hatte dann ausreichend Zeit, bis zum Frümiko* so gegen 14.00 Uhr, sich auf die nächsten Etappen des Vorhabens zu freuen.
(* Frühstücks- und Mittagessens-Komponenten enthaltende Komplexmahlzeit, neudeutsch „Brunch“)
Das war der ursprüngliche Plan:
- Der von den russischen Schwägern vorbereitete Kauf eines UAZ, Zulassung, Versicherung und die Überwindung etlicher bürokratischer Hürden, da Justins Schwiegervater als Käufer durch die Nutzung der russischen Abwrackprämie Bonusgenießer ist, aber den Wagen drei Jahre lang nicht steuerfrei verkaufen darf, aber bereit ist, uns eine Generalvollmacht zum Betreiben des Geländewagens für 3 Jahre zu erteilen (3. Tag).
- Danach, wenn wir das Auto haben, so war die Planung, soll(te) es über 10000 Kilometer zum Baikal gehen, über Uljanowsk zurück, wo dann gleich Garantiereparaturen zur ersten Durchsicht gemacht werden können. Dafür hatten wir 14 Tage eingeplant (4.-18. Tag).
- Ab 18. September gehe ich dann allein die zweitägige Rückreise nach Berlin an (19.-20. Tag).
- Montag den 21. September wird wieder gearbeitet.
Den Rest des Tages wollten wir nach dem Tausch der Kaufsumme zum immer noch recht guten Kurs von 1:75 mehr oder weniger vertrödeln.
Das ging aber nicht, denn Justin fragte noch einmal bei seinen russischen Verwandten ab, ob denn alle abgesprochenen verbindlichen Termine und Zusagen stehen…
Daraufhin musste alles noch einmal neu terminiert und logistisch geplant werden, denn unsere Helfer w(s)ollten wir je von zu Hause abholen. Da unser Veteran (Schwiegervater) auf seiner Datsche war, mussten wir von Wnukowo über Shukowski und Podolsk ins südöstliche Moskauer Subzentrum zum Autohaus, um den eingefädelten Autokauf zu vollziehen.
Dritter Tag – Sonnabend 30. August – Autokauf in Russland
Der gestern geplante logistische Ablauf nahm dank der Moskauer Entfernungen und Verkehrsverhältnisse ungeahnte Zeit in Anspruch. Nach der um sechs gestarteten Sichel- und Stern-Fahrt waren wir mittags im Autohaus.
Wie groß war dort unsere Überraschung über die Überraschung der Autohändler ob unsres Ansinnens, einen in Wunschfarbe bestellten UAZ Hunter bezahlen und abholen zu wollen.
Das doppelt so teure Nachfolgemodell stand sogar als „Super unlimited“ da. Auf unser Drängen gingen wir dann mit dem eigentlich widerstrebenden Verkäufer Andrej Nikititsch auf den Hof, um wenigstens das Siegesmodell zum 75. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg als Alternative anzusehen.
Das Vorführmodell mit aufschablonierten „70-Jahre-Sieg“-Schriftzug erinnerte mit Lackfarbe- und -Qualität, Sowjetarmeegrün, einschichtig dünn auf schlecht vorbehandeltem Blech, sehr an meine erste Bekanntschaft mit diesem Fahrzeugtyp bei der NVA.
Als ich dann im Motorraum Rostwasserporenablagerungen entdeckte, fielen mir alte Witze über sowjetische Autobaukunst ein.
Zufällig stand in einer anderen Ecke ein aktuelles Huntermodell ohne Pobeda und ohne Mängel mit zeitgemäßer Zweischichtlackierung, das mir dann die Zustimmung entlockte, ein gleiches Modell in unserer Wunschfarbe dunkelgrün-metallic zu Mittwoch anliefern zu lassen.
Kaufvertrag und Geld einnehmen ging dann völlig widerstandslos. In Russland sollte man einfach nicht unbedingt auf solchen kleinstaatlerischen Allüren wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bestehen.
Mäßig begeistert wickelten wir die Runde rückwärts ab, verabredeten uns für Mittwoch, an dem wir nur noch den Veteranen auf dem Wege aus seiner Stadtwohnung zur Unterschriftsleistung unter den Lieferschein und zur Erteilung der Generalvollmacht abholen. Den organisatorisch genialen Einfädler aus Shukowski brauchen wir dazu nicht mehr, das heißt wir sparen 2-3 Stunden ein.
Wsje Budjet – Alles wird – das macht Hoffnung und tröstet, außerdem bleibt man sich Freund – und es gibt auch noch Wodka – für alle Fälle.
Um zehn abends, wieder zu Hause im Swetlyj Bulwar begnügten wir uns auf deutsch mit einem Eisbein, dazu russische Buchweizengrütze, gewürzt mit Ketschenez (Ketchup + Majo, halb und halb), dazu ein Bier.
Wsje budjet…